Hut, Sonnenschutz, Insektenspray, Wasser.
Wir haben alles dabei.   
Die Sandalen sind festgeschnallt, die Kamera baumelt über der Schulter.
Perfekt ausgestattet für eine Dschungeltour!

Wanberi, unser Guide, sitzt auf der kleinen Bank vor unserer Hütte und plaudert mit Jan, bei der wir uns für ein paar Tage eingemietet haben. Er ist barfuß, die Dreadlocks hängen lässig über der Schulter und die Machete wippt locker in seiner Hand.

Es geht wieder den kleinen Berg hinauf zur Kakaofarm, doch diesmal dauert der Aufstieg länger. Alle paar Meter bleiben wir an einem Baum oder Strauch stehen und Wanberi klärt uns auf über Namen und medizinischen Nutzen. Mal sind es die Blätter, mal die Früchte oder Wurzeln, oft ist es alles zusammen. Ich hatte keine Ahnung, wie achtlos wir bisher an Schlafmittel, Abführtee und Hustensaft vorbeigegangen sind und komme mir vor, als wäre ich mit einer wandelnden medizinischen Enzyklopädia unterwegs. Sein Wissen hat Wanberi von seiner Großmutter, die, wie so viele auf der Insel, die überlieferten Kenntnisse für die Gesundheit ihrer Familie zu nutzen wusste. Auf dem Weg diskutieren wir über die veraltete moderne Schul-Medizin.
„Die Leute lassen sich bunte Pillen verschreiben, aber davon wird es doch nur schlimmer. Diese Medizin“, er zupft im Vorübergehen ein Blatt vom Baum, „diese Medizin geht an die Ursachen, nicht an die Symptome.“ Ein tiefes „Yeeeaah“ unterstreicht sein Statement, dem ich nur kopfnickend zustimmen kann.

Oben auf der Farm steuern wir konsequent auf den schmalen Pfad zu, auf dem zwei Tage zuvor die lehmverschmierten Krieger kamen. Na, ganz so schlimm wird’s wohl nicht werden, denke ich und rutsche das erste Mal aus. Glück gehabt, ich bin nur geschlittert, die Hose ist noch sauber.
Dann geht es an den Abstieg.
Wanberi warnt uns an besonders glitschigen Stellen, „Achtung, hier ist es etwas matschig“. Der Unterschied ist nur für eingeweihte Spurenleser zu erkennen, für mich sieht der Pfad überall gleich schlammig aus. Dass der Weg auch von Reitern benutzt wird, findet Wanberi gelinde gesagt zum Ko… und ich muss ihm wieder einmal zustimmen. Die natürlichen Stufen der Baumwurzeln haben sich durch die Hufabdrücke in tiefe, lehmige Wasserlöcher verwandelt. Entgegen der Regel, die Pfade nicht noch breiter auszutreten, weichen wir in das Gras daneben aus. Mit dem Ergebnis, dass ich bis zum Knöchel im Wasser versinke.

Dann kommt eine besonders schlimme Stelle.
Besonders breit und besonders schlammig.
Auf beiden Seiten stehen Rinder und Pferde und glotzen, als hätten sie Eintritt bezahlt. Ausweichen geht nur über einen kleinen Hang, das Grün sieht schon verdächtig braun aus. Vorsichtig setze ich einen Fuß auf ein Vertrauen erweckendes Grasbüschel. Vertrauen kann täuschen, das Büschel gibt sofort nach. Als hätte jemand ein Saugnapf an meinem Fuß angesetzt, werde ich langsam nach unten gezogen. Keine Chance, irgendwo Halt zu finden, hilflos muss ich den Forderungen des Lehmbodens nachgeben.
Ich meine, ein leises schadenfrohes Wiehern zu hören und sauber kann ich meine Hose jetzt wirklich nicht mehr nennen.

Dann erreichen wir das Tal.
Eine dicke Schicht aus Blättern macht das Gehen leichter, obwohl es immer noch bei jedem Schritt zwischen meinen Zehen quitscht. Mein liebster Reisefreund schaut mitleidig auf meine dickverschmierten Füße, aber er selbst steht kaum besser da. Doch hier, tief im Urwald geht unser Blick dann doch nach oben. Ein Faultier hängt nur wenige Meter entfernt an einem Ast und kratzt sich genüsslich das Hinterteil. Ein eigenartig sehnsüchtiger Vogelruf ertönt hinter uns. Wir schauen an einem kleinen Flusslauf vorbei, doch der Kaiman ist nicht zu Hause. Pech gehabt. Auch die Leguane lassen sich nicht blicken, dafür sehen wir ihre Brutstätten mitten im Wald. Warum sie Sand von der Küste so weit in das Hinterland tragen, um ihre Nester zu bauen, das weiß kein Mensch. Allgegenwärtig die Geräusche der Vögel und Zikaden, ab und zu meldet sich ein Affe zu Wort.

Auf dem Weg zum Wizzard Beach

Der Urwald umhüllt uns wie eine dicke samtige Decke. Weiche Blätter kitzeln an meinen Armen - immer wieder muss ich gucken, ob es tatsächlich Blätter sind und nicht etwa kleine Krabbeltiere mit haarigen Beinen - stachlige Dornen ritzen rote Muster in meine Haut. Schweigend kämpfen wir uns durch das Gebüsch, ohne die Machete von Wanberi hätten wir keine Chance. Nur das Nötigste wird aus dem Weg geschlagen und ich schaue zurück: Der Weg, den wir gekommen sind, ist nicht mehr zu erkennen.


Plötzlich, mitten im Urwald, die Reste einer Bauruine. Ein betonierter Grundriss, verstreute Backsteine, aus dem Strauch neben uns ragt eine halbverrottete Dachlatte wie ein Speer in die Höhe.
„Hier wollte sich ein Rauschgiftbaron aus Kolumbien sein Traumhaus bauen. Keine Ahnung, was aus dem geworden ist.“ Wanberi schüttelt nachdenklich den Kopf und schmeißt einen Backstein tief in das Gestrüpp, in dem bereits die Dachlatte steckt. „Schon verrückt, diese Leute.“ Und zwei Schritte weiter folgt das obligatorische „Yeah.“

Wir stapfen weiter den kleinen Flusslauf entlang.
Die Zweige hängen so tief, dass sie fast in das grün schimmernde Wasser stippen, das kleine Ufer ist gesäumt von gelbem Sand. Inzwischen können wir die Brandung hören, der Atlantik muss ganz nah sein, doch zu sehen ist er nicht. Erst als wir direkt am Strand stehen, lassen wir den dichten Urwald hinter uns, hier am Wizzard Beach reicht er fast bis an das Wasser. Eine eigenartige Stimmung empfängt uns, der Strand liegt verlassen, als hätte ihn noch nie ein Mensch betreten. Abwechselnd ragen Palmwedel und knorrige Äste bis in die Wellen, die in gleichmäßigen Abständen über den Sand und wieder zurück rollen. Der Wind jagt dunkle Wolken über den Horizont.


Bevor wir uns auf den Rückweg machen, bekommen wir zur Stärkung Ananas und Kokosnuss, letztere wieder frisch vom Baum. Der ‚Müll‘, den wir dadurch produzieren, kann getrost liegen bleiben.
Yeah!

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